Was ich ganz sicher vermissen werde
sind die überall reichlich vorhandenen, immer sauberen und immer
kostenlosen Toiletten. Pinkeln ist hier ein Menschenrecht ☺!
Wir haben uns nach anfänglicher,
leichter Irritation im Land sehr sicher gefühlt. Amerikaner sind
leicht zu verstehen, nach kurzer Zeit weiß man wie sie ticken.
Verhält man sich entsprechend, ist alles easy. Äußerst angenehm
ist die ebenfalls überall anzutreffende, unerschütterliche
Höflichkeit. Amerikaner sind nicht unbedingt immer freundlich oder
empathisch, aber der zivilisatorische Lack der Höflichkeit scheint
unkaputtbar. Kleinere Leiden, wie zB nächtlichen Feierstimmung
verbreitende Camingnachbarn (kommt sehr, sehr selten vor!) erleidet
man still. Der Nachbar wird nicht zurecht gewiesen. Männer legen
bes. Frauen gegenüber oft ein Verhalten an den Tag, das ich nur mit
dem Wort „ritterlich“ beschreiben kann – der höfliche Respekt
ist quasi mit Händen zu greifen.
Eigentum wird sehr respektiert –
privates, aber auch öffentliches. Spuren von Vandalismus haben wir
praktisch keine gesehen. In kleinen Dingen sind Amerikaner offenbar
sehr ehrlich, „Kassen des Vertrauens“ gibt es in vielfältiger
Form und jeder scheint korrekt damit umzugehen.
Abgesehen von diesen Äußerlichkeiten
erschien uns das Land als eine etwas rauhere Welt: jede(r) ist für
sich selbst und sein Glück verantwortlich, für Skrupel oder
Sentimentalitäten ist wenig Raum. Eines der höchsten Güter scheint
„privacy“ zu sein, was man als Privatsphäre übersetzen könnte.
Wohnen am Besten einsam, keine Nachbarn.... „only me and my gun“.
Vermutlich ein Erbe aus den Pionierzeiten.
Nicht vermissen werden wir die Unmengen
von Tierkadavern entlang der vielbefahrenen Straßen – da lag
alles, vom Wiesel bis zur toten Kuh, und in Massen. 4 totte Tier auf
1 Kilometer haben wir mehrfach gezählt. Anders als in D werden die
Kadaver nicht weggeräumt, sondern liegen da bis sie irgendwann
völlig verwest sind. Brrrr.....
Schlimm fand ich auch (wieder) das
Essen.... daran hat sich seit meienr ersten USA-Reise 19993 nichts
geändert. Das ist mein persönliches Problem, ich empfinde vor sehr
vielen Produkten, die es dort gibt, einfach nur Ekel. Gerettet haben
uns Aldi und Trader Joe's, wo es deutsches Brot und europäischen
Käse gibt. Als wir im ersten Tarder Joe's waren, in Albuquerque,
hätte ich fast geweint vor Erleichterung mal was Vernünftiges
kaufen zu können.
Immer wieder ungläubig den Kopf
schütteln ließ uns der Flächenverbrauch für Shopping Malls,
Wohnsiedlungen etc. OK, das Land ist riesig. Aber man muss auch
bedenken, es gibt ca 350 Mio Einwohner, von denen die allermeisten im
Einfamilienhaus leben. Rechne einfach mal New York ab und dann noch
ein paar Millionen, da kommt man locker auf über 300 Mio EFH. Und
nicht wenige Leute haben zwei Häuser, eins für den Sommer und eins
für den Winter (in den klimatisch passenden Gegenden)! Wahnsinn!!!
Denn wo der Mensch siedelt, ist die Natur weg.
Schön nach unserem Verständnis sind
dabei die wenigsten Bauten. Vieles packte mein Gehirn, rein von der
Optik her, in die Schublade „arm“. Holzhäuschen in der Größe
einer besseren Gartenlaube, windschief und heruntergekommen oder aber
die berüchtigten Trailer – so wohnt die Masse. Sicherlich stimmt
das Label „Arm“ nicht immer, wo es danach aussieht. Wir waren ja
fast nur in der Provinz unterwegs.
Außerdem legen Amerikaner scheinbar
ganz allgemeinn weniger Wert auf Äußerliches, auch was ihr eigenes
Erscheinungsbild angeht. Viele Menschen wirken auf uns krank und/oder
ungepflegt. Eine besser gestellte Frau erkennt man daran, dass sie
eine Frisur hat.
Trotz teils zumindest teilweise
widriger Umstände sind, wie erwähnt, alle immer sehr höflich und
alle sind sehr positiv. Letzteres ging mir manchmal einen Tick zu
weit bzw. auf den Keks, wobei es aber natürlich der vertrauten
„deutschen Dauermeckerei“ vorzuziehen ist.
Ein bissel strange empfanden wir auch
den überall zelebrierten Flaggenkult. Naja.... muss nicht sein. Aber
hey, that's America! ☺
Ebenfalls sehr positiv fiel uns auf,
das praktisch alle Einrichtungen, Orte, Geschäfte..... immer für
jedermann zugänglich sind. Ich meine das wörtlich: es gibt keinen
nicht abgesenkten Gehweg, es gibt praktisch immer mindestens eine für
Rollstühle zugängliche Toilette, Lifte, Fahrstühle,
Behindertenparkplätze (die wirklich NIE missbraucht werden) …. Hut
ab! Da kommen wir hoffentlich auch bald hin.
Meine Lieblings-Bundesstaaten waren
Louisiana, Texas und New Mexico. Meine (touristischen)
Lieblingsstädte waren Savannah und New Orleans auf Platz 1, dann
Santa Fé und Miami Beach. Tollster Nationalpark war Yellowstone,
schönster Strand im Norden Oregons. Völlig untouristisch, aber ganz
super, waren auch die Treffen mit unseren Reisefreunden. Das füttert
einen Teil der Seele, der (zumindest bei mir) auf einer so langen
Reise zu kurz kommt.
Wir haben uns 6 Monate im Land
aufgehalten, deutlich länger, als wir das zuvor gedacht hätten.
Alles in Ruhe, und immer unter der Überschrift „hier kommen wir
nie wieder her“. Nun, da unsere Reise ja im Norden Mexicos
Corona-bedingt zu enden scheint, bin ich mir da nicht mehr ganz so
sicher.
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