Mittwoch, 19. Februar 2020

Entlang der Golfküste bis ans „National Seashore“ im Süden Texas' (22.1.-8.2.)

Straßenszene im French Quarter in New Orleans
Von Südflorida kommend fahren wir – mehr oder weniger – entlang der Golfküste. Die Strände dort sind teilweise echt spektakulär, aber – wie fast immer – gilt: schön = voll = teuer. Das heißt, wir suchen unsere Übernachtungsorte eher etwas abseits.... und so kommen wir in den Myakka River State Park bei Sarasota. Der ganze Bereich der Golfküste ist ein Vogelparadies, mit vielen Flüssen, Seen und Feuchtgebieten. Zugvögel überwintern hier oder rasten auf dem Vogelzug. Im Myakka River State Park sehen wir u.a. einen Rosalöffler, einen recht großen Wasservogel mit Schuhlöffel-artigem Schnabel. Gibts bei uns auch, aber nur in weiß – und hier ist er wirklich quietschrosa.

überall gibt es Braune Pelikane
auch Klappbrücken sind die Regel....

Rosalöffler
Auf dem Weg zum SP fahren wir an einem „National Cemetry“ (Nationalfriedhof) vorbei und gucken uns den mal an. Jeder Bundesstaat hat einen oder mehrere (Florida hat 9!) solcher Friedhöfe. Jede Person, die einmal beim Militär gedient bzw gearbeitet hat (und ehrenhaft entlassen wurde), hat das Recht, dort (kostenfrei) bestattet zu werden, je nach den Umständen auch mit militärischen Ehren. Dies schließt auch den Ehepartner mit ein und minderjährige Kinder. Man muss wissen, das Grabstellen hierzulande gekauft werden; man hat sie dann für die Ewigkeit. Eine bestimmte „Liegezeit“ von 25 Jahren, wie in D üblich, ist hier unbekannt. Der Kauf einer Grabstelle in einer Stadt wie Sarasota kostet mehrere 1000 $ und das kann sich wirklich nicht jeder leisten. Natürlich gibt es auf dem Nationalfriedhof auch spezielle Gedenkstätten mit wie üblich sehr dick aufgetragenen Patriotismus... aber so ists halt hier.

Gräberfeld auf dem Nationalfriedhof Sarasota
Gedenkort mit ziemlich martialischen Adlern
schöne Brücken gibt es auch sehr reichlich entlang der Küste
Auf der Weiterfahrt machen wir ein vermutlich letztes Mal Stop in einem unserer Lieblings-State Parks, dem kleinen Ochlockonee River SP. Dort gibt es weiße Eichhörnchen; keine Albinos, es ist wirklich eine Unterart.

das ist ein weißes Eichhörnchen, ein besseres Foto gelang uns leider nicht
In Clearwater „boondocken“ (d.h. wild campen) wir auf einem großen Parkplatz an der Marina, was prima funktioniert. Nachmittags laufen wir durch den Ort, überall steht „Scientology“ dran, und nach einer Weile fällt bei mir der Groschen: Clearwater IST Scientology, hier ist deren Welt-Hauptquartier, sozusagen.



Hauptsitz von Scientology in Clearwater
auch dieses ehemalige Bankgebäude ist jetzt Scientology
Wir nähern uns einem Highlight der Reise – New Orleans (NO). Jeder, der da war, schwärmt und wir sind sehr gespannt. Zum Übernachten wählen wir KOA (eine meist eher teure Kette von Campingplätzen), der ist zwar nicht zentral, bietet aber jeden Morgen und jeden Nachmittag einen kostenlosen Shuttle ins Zentrum an. Zentral gibt es natürlich auch keinen Campingplatz, die sind praktisch immer am Rand.

die zur Zeit unseres Besuches allgegenwärtigen Farben des Mardi Gras
Frühmorgens um 9.00 Uhr fährt uns der Campingplatzbesitzer, zusammen mit anderen Gästen, ins French Quarter von NO; dort wird er uns am späten Nachmittag auch wieder einsammeln. Wir stürzen uns ins volle Leben: erstmal einen Kaffee und die berühmten Beignets (das sind eine Art Krapfen, ähnlich wie es sie bei uns auch gibt). Dann stürmen auch schon die Farben auf uns ein: das aktuell grade angesagte und auffällig-ungewöhnliche Gold-Grün-Lila des Mardi Gras; und natürlich noch viele andere mehr. Es ist wirklich sehr bunt und die Geschäfte bieten - von den in den USA allgegenwärtigen Touri-Tshirts mal abgesehen – viel Originelles und wenig Massenware an. Wir spazieren einfach drauflos und gucken Geschäfte und Leute.... Kurz nach 10.00 Uhr haben sich die ersten Musiker eingefunden. Eine schick zurechtgemachte Dame singt inbrünstig und gekonnt Whitney Houston, sie steht mit einem Bluetooth-Lautsprecher, der die Begleitmusik liefert, mitten auf der Straße. Wenige Meter weiter der Beweis, das auch noch so inspirierende Orte nicht frei von Volltrotteln sind: ein Herr mit einem „Trump 2020“-Stand und diversen beleidigenden, obszönen und dämlichen Plakaten und Sprüchen dazu. Er steht auch am nächsten Tag noch da, niemanden kümmerts.


Straßennamen sind auch auf dem Boden eingelassen (für die Betrunkenen? ☺)

Markthalle
Essen spielt eine sehr große Rolle, günstig ist es nicht
knallbunte Plastikketten für den Karneval

iiiiihhhh .....
Straßenschild, historisch
im French Quarter
im French Quarter
im French Quarter, alles ist geschmückt
im French Quarter
im French Quarter
im French Quarter
im French Quarter
im French Quarter
Irgendwann ist uns nach Kultur und wir besichtigen ein altes Mietshaus, wie es sie hier in den 1820er Jahren für betuchte Familien gab – diese kamen hierher, für eine begrenzte Zeit, und mieteten sich dann ein. Auffällig sind die enorm umfangreichen Nebenräume für Küche, Vorräte und Personal- bzw. Sklavenquartiere. Im Museumsshop kaufen wir unser erstes „richtiges“ Souvenir, nämlich einen großen Alligator als Bücherstütze.

so ähnlich könnte ein Wohnzimmer ausgesehen haben
und dies ist die Küche, natürlich weit weg vom Wohnbereich der "Herrschaft"
im Hof des Hauses
und dies ist die Außenfassade, mehrere Mieteinheiten lagen nebeneinander
Wir ziehen weiter, jetzt müssen wir langsam was zu Essen finden. An Lokalen mangelt es nicht. An vielen muss man jedoch Schlange stehen (das sind wahrscheinlich die, die gut und nicht so teuer sind) – haben wir keine Lust dazu; bei anderen ist uns nicht klar, was es überhaupt dort gibt. Die Begriffe sind uns vielfach (fast) völlig fremd: Poboys, Gumbos, Jambalaya, Étouffe.... nur um ein paar Beispiele zu nennen. Alkohol gibt es auf jedem Meter. Eine derartige Bar- und Kneipendichte sucht ihresgleichen; ich kenne nichts Vergleichbares. Und die Leute trinken, ab 11.00 Uhr etwa geht’s los damit. Nach unserem kleinen Lunch schließen wir uns dem an.... das verändert die Stimmung und das Bild nochmals. Jetzt sind richtig viele Bands auf der Straße, die zum Teil wirklich toll spielen. Viel Jazz-Klassik, aber auch Rockklassiker... kleinere Kinder sitzen auf der Straße und trommeln auf Plastikeimern in der Hoffnung auf etwas Tip. Wir hören einer Weile einer Straßenjazzband zu, ziehen dann weiter und landen in einer Art Rockkneipe, wo eine uns völlig unbekannte Band spielt – ich finde, göttlich; und bin ganz hin und weg. Der Tagesalkohol hilft vmtl dabei ☺. Irgendwann finden wir uns leicht angetütert (aber auch nicht mehr) an unserem Abholtreffpunkt ein, um zum Camping zurückzufahren. Ich wäre eigentlich gerne noch in der Stadt geblieben, aber meine Aufnahmespeicher sind übervoll und blöderweise tut gerade jetzt mein linker Fuß sehr weh.

Essen, Wein - ALLES & IMMER aus
Einweg"geschirr"; wir können uns nicht daran gewöhnen und sind jedes Mal enttäuscht
Typen ohne Ende
Straßenkapelle im French Quarter
in der Rock-Kneipe (es ist heller Nachmittag draußen)
im French Quarter
im French Quarter
am Ende des Tages friedliche Stimmung am Mississippi
An Tag 2 fährt uns der Campingplatzchef auf einer anderen Route in die Stadt: und zwar fahren wir durch die Magazine Street. Das muss man gesehen haben: eine kilometerlange Straße, fast ausschließlich viktorianische, kleinere Holzhäuser, in jedem Haus ist unten ein schön und interessant aussehendes individuelles Geschäft drin.... keine Filialisten! Dazwischen kleine Cafés, Restaurants, Bars. An den Straßenbäumen hängen massenweise die bunten Plastikperlenketten, die hier (wie bei uns „Kamelle“) zu den Mardi Gras-Umzügen von den Wagen geworfen werden. Wenn ich nochmal nach NO kommen sollte, dann will ich die ganze Magazine Street ablaufen und massenhaft Geld ausgeben, so!!!
Leider ist es mit Laufen bei mir just an dem Tag nicht so doll (der Fuß von gestern...) und wir fahren deshalb Streetcar (Straßenbahn). Wir entscheiden uns für die grüne Linie, die die St.Charles Avenue entlang fährt (das tut sie seit 1835!). Es sind historische Straßenbahnen, die langsam fahren und dauernd halten und so sind wir gute 2 Stunden dabei. Vorbei an schönen und prächtigen Häusern und Villen, großen Kirchen und Synagogen und der Loyola-Universität geht die Fahrt. Danach zieht es uns, auch wegen der räumlichen Nähe, nochmal ins French Quarter. Es ist Freitag, und es ist ein ganz anderes Publikum unterwegs als gestern: jünger, schriller, lauter, noch mehr Alkohol und was sonst so reingeht. Es ist einfach irre... eine krasse, verrückte, laute Party. An der Preservation Hall (berühmtes, altes Jazzlokal) stehen sie schon Schlange für die erste Vorstellung, vor der Kathedrale drängen sich die Gaukler (so ähnlich, nur noch viel größer, stelle ich mir den Djemaa el Fna in Marrakesch vor). Wir sind geschafft, gehen nochmal zum Mississippi und hören uns dort das Dampforgel-Konzert des alten Dampfschiffes „Natchez“ an.

Downtown NO
hier ein roter Streetcar
gehobene Wohnviertel in der St. Charles Av. 


eine Klosterschule


an tollen Villen mangelt es wirklich nicht
Loyola-Universität

Blick in eine der Nebenstrassen
Brücke über den Mississippi
wieder im French Quarter
 im French Quarter, Tagesparty
 im French Quarter
Schausteller und Gaukler auf dem Platz vor der Kathedrale
 im French Quarter, Mardi Gras Dekoration
Musik wirklich Allerorten

Es waren flüchtige, aber sehr intensive Eindrücke, die bei mir den Wunsch nach „mehr, mehr“ geweckt haben. Nochmal hierher, bitte – mit einer guten Freundin, und mit viel Geld für ein gutes Hotel im Zentrum und viele Einkäufe ☺; hach das wär schön. Die alten Friedhöfe sehen, und die vielen versteckten Sehenswürdigkeiten. Vielleicht klappts, bei so was bin ich optimistisch. Es gäbe noch soviel mehr zu sehen, zu probieren und zu hören und zu verstehen; das vielleicht vor Allem anderen.

Nach der Schwärmerei noch ein paar Fakten: New Orleans ist im Wortsinne die Haupt-Stadt Louisianas (die echte ist Baton Rouge). NO ist sehr anders, als alles was wir kennen; aber das trifft auf den gesamten Bundesstaat zu. Er hat ein sehr spezielles, nicht unbedingt angenehmes Klima mit extrem schwül-heißen Sommern und Unmengen Insekten. Die Stadt New Orleans wurde 1718 von aus Kanada vertriebenen französischen Aussiedlern (Akadier) offiziell gegründet. 1763 wurde sie dann spanisch (7jähr. Krieg, Vertrag von Paris...). 1803 wieder französisch; und bevor sich wieder was ändern konnte, verkaufte Napoleon die Stadt fix an die Vereinigten Staaten. NO ist von Sümpfen umgeben, in denen einige First Nations lebten. Sklaven, denen die Flucht von den Plantagen gelang, schlossen sich ihnen an. Es kamen also viele unterschiedliche Einflüsse zusammen, was erahnen lässt, welch „wilde“ Mischung an Kulturen, Sitten, Temperamenten dort entstand und bis heute existiert. Die Musiktradition New Orleans' soll übrigens entstanden sein, weil es hier den Sklaven erlaubt war, sich Sonntags an einem bestimmten Platz zu treffen und dort Musik zu machen und zu singen.
Das Zentrum der Stadt liegt zwischen dem Mississippi und dem riesigen Binnensee Lake Pontchartrain. Sie hat den größten Hafen Nordamerikas, die Anlagen ziehen sich 90 km lang am Ufer des Mississippi hin. Außerdem gibt es eine große Raffinerie und andere Industrie. NO hat als Stadt ca 400.000 Einwohner, der Großraum ca. 1,5 Mio.
Was ich noch gelernt habe: die berühmte Bourbon Street ist nicht nach dem Getränk benannt, sondern nach dem alten französischen Adelsgeschlecht der Bourbonen. Wer hätte das gedacht.

Nicht nach Schnaps, sondern nach Adel benannt: die Bourbon Street
Und das hier ist auch noch anders in Louisiana als im Rest der Vereinigten Staaten;
  • der Staat ist nicht in „countys“ unterteilt, sondern in „parishs“
  • Schnaps kann man (wie in D) auch im Supermarkt oder an der Tankstelle kaufen
  • wegen der Hitze arbeitet man nicht mit Pferden, sondern mit Maultieren (so auch bei den Touristenkutschen)
  • die meisten Straßen und Highways verlaufen auf Dämmen (wegen der vielen Sümpfe)
  • auch wegen der Sümpfe gehen die Gräber auf Friedhöfen nicht in die Erde, sondern es wird aus Beton und Stein ein oberirdischer Sarkophag gebaut

Mental leicht verkatert verlassen wir NO. Mir gehen die Fotos von Frank Relle, die wir zufällig in dessen Galerie gesehen haben (http://www.frankrelle.com/) nicht mehr aus dem Kopf. Was dann indirekt dazu beiträgt, das wir noch einen Tag lang per Auto durch die Sümpfe trödeln und zum Abend im Lake Fausse Pointe State Park eintreffen. Der liegt mitten im Sumpf; ich möchte es mir hier im Sommer nicht vorstellen. Jetzt ist es ok, es gibt nur vereinzelte Mücken.

Letzte Ausfahrt Sumpf: hier hat uns das Navi mal gründlich fehlgeleitet....
im Lake Fausse Pointe State Park
im Lake Fausse Pointe State Park
Spinne am Morgen, von Tausend Tautropfen benetzt
Es geht weiter an der Küste entlang, unser nächstes Ziel heißt Galveston Island (da hat vor einigen Jahren ein Hurrikan mal böse zugeschlagen, kennt man evtl aus den Nachrichten). Da kommen wir auch 2 Tage später an, leider ist das Wetter unterirdisch: plus 6 Grad, dunkelgrauer Himmel, eiskalter Wind und Nieselregen. Das soll auch so bleiben; da nutzen wir unsere Freiheit und fahren nach einer Nacht weiter.

an Brücken herrscht wie gesagt kein Mangel ...
alle Häuser in Meernähe stehen auf Stelzen... sind aber wie fast überall aus
Holz und Pappe gebaut
nee, nicht schön. Kalt wars auch.
Ganz im Süden des Golfs von Mexiko, kurz vor der mexikanischen Grenze, liegt vor der Stadt Corpus Christi die schmale, nehrungsähnliche Insel Padre Island. Sie ist zum überwiegenden Teil „National Seashore“ und untersteht damit dem Nationalparksystem.

Auf dem Weg dorthin machen wir ein paar Stunden Stopp im sehr sehenswerten Aransas Wildlife Refuge, einem Schutzgebiet besonders für Wasservögel.

im Aransas Wildlife Refuge
Muschelfriedhof?
im Aransas Wildlife Refuge
Yucca Gloriosa - Blüte im Aransas Wildlife Refuge

Wir verbringen einen Tag in Corpus Christi – Tembo braucht einen Ölwechsel. Später schauen wir uns noch den ausgemusterten Flugzeugträger USS Lexington an, der in CC als Museum vor Anker liegt. Ich finde, die Amis sind generell sehr gut was Museen angeht; hier trifft dies nicht zu. Es ist vermutlich das schlechteste was ich in dieser Art je gesehen habe.... ich will mich deshalb auch gar nicht drüber auslassen; mir war nach kurzer Zeit übel von soviel bescheuertem, unreflektiertem Patriotismus....

USS Lexington, ein Flugzeugträger (war im WWII aktiv + in Korea, u.a.)
auf dem Deck
Ralf auf der Brücke
Der nächste Tag auf Padre Island bringt super Fotomotive und Entspannung für Kopf und Geist am Strand.


nee, beißt nicht wirklich ☺
und der auch nicht ....
schöner Strand des National Seashore

Von hier aus werden wir jetzt nach Westen fahren, weil wir gegen Ende Februar nach Mexiko, auf die Baja California, reisen wollen.