Donnerstag, 7. März 2019

So – und wie wars nun?


Zum Runterkommen nach dem wirklich extremen Streß der Haushaltsauflösung war die Reise super und auch als „Übungsparcours“ für eine längere Tour Klasse.  Wir haben gelernt, dass die Welt nicht untergeht oder sonst was Schlimmes passiert, wenn man ein paar Tage einfachmal vertrödelt. OK, der Hosenbund wird dann rasch enger, das haben wir nach solchen „Faul-Tagen“ immer gleich gemerkt. Ganz überwiegend waren wir ziemlich entspannt unterwegs.

Wir sind insgesamt ca 13.500 km gefahren (alles Ralf), hatten keinen Unfall und keine Panne. Das macht auf 100 Tage rechnet einen Durchschnitt von 135 km pro Tag. Wir haben dabei knapp 1000 l Benzin verfahren, zum Literpreis von immer unter 1,--EUR. Gecampt haben wir etwa 2/3 der Zeit, während des restlichen Drittels hatten wir feste Unterkünfte.

Im Nachhinein betrachtet hätten wir uns auf der Gardenroute deutlich mehr Zeit lassen können und dafür den Namibia-Part kürzen. Aber das „Beeilen“ ist ein Anfänger-Fehler, praktisch allen Langzeit-Touris passiert das Anfangs. Gut war auch, dass wir uns um Geld bzw. das Ausgeben desselben wenig Gedanken gemacht haben. S.A. und NAM sind nicht sooo billig, aber letztlich relativiert sich das meistens. Wir waren nicht krank; hatten nur mal eine Magenverstimmung o.ä., aber nichts weshalb man zum Arzt oder großartig Medikamente nehmen müsste. ………. Es gibt überhaupt nur einen nennenswerten negativen Aspekt: ich (Ute) habe den Kontakt zu Freunden und Bekannten zu Hause schon vermisst. Skypen geht, aber man muss sich dazu verabreden, weil wir nur gelegentlich online sein konnten. Die Verbindung war auch meist so instabil, dass wir das Bild besser weggelassen haben. Ich habe mich immer sehr gefreut auch über kleinste Telegram-Mitteilungen von zu Hause. Ab Mai: Bitte mehr davon!!! Man lernt kaum andere Touristen kennen, denn die haben ja alle keine Zeit. Dafür konnten wir uns mit einigen „Locals“ teils ausführlich unterhalten, wenngleich daraus keine bleibenden Kontakte entstanden sind.

Und wie war Südafrika? – Südafrika, was wir jetzt zum 3. Mal besucht haben, war Klasse. Und nein, wir haben keine gefährlichen Situationen erlebt (was keinesfalls heißt, dass es sie nicht gibt). Was wir irgendwie überhaupt nicht auf dem Schirm hatten, war, dass Südafrika außer im Norden ja ausschließlich Küsten-Grenzen hat. Und die Küsten sind so toll, alle. Sehr verschieden, landschaftlich und auch klimatisch, aber alle Klasse. Deswegen haben wir uns auch soviel entlang der Küstenlinie aufgehalten. Insgesamt waren alle Landschaften, die wir sahen, auf ihre Art faszinierend und beeindruckend – vom heißen, kargen Nordwesten über die grüne, fruchtbare Gardenroute bis hin zum dichten afrikanischen Busch im Krügerpark. Zum 3. Mal nicht geschafft haben wir die Drakensberge, es war im fraglichen Zeitfenster dort mal wieder ausgesucht schlechtes Wetter.

Das Allerbeste in S.A. jedoch waren die überaus freundlichen Menschen. Das Leben dort ist nicht leicht und geprägt von wirklich extremen Gegensätzen. Jedoch ist praktisch jeder sehr freundlich und sehr höflich und die meisten Menschen wirken entspannt (wie tief das geht, vermag ich nicht zu beurteilen; ich rate: manchmal ist die „Entspanntheit“ wohl Fatalismus). Die Freundlichkeit äußert sich darin, dass – außer im Zentrum der großen Städte – praktisch jeder jeden nett grüßt, und gar nicht selten wechselt man auch noch ein paar Sätze. Während der Zeit in Fish Hoek (ok, das war jetzt eine Ferienregion und -situation) haben wir jeden Tag kurz mit völlig fremden, unterschiedlichen Menschen gesprochen. Ich fand das Klasse, und da ich ja notorisch neugierig bin, habe ich denen mitunter auch schamlos die dümmsten Fragen gestellt (ja, auch sehr dunkelhäutige Menschen kriegen Sonnenbrand, sieht man nicht, fühlt es aber…). Wir haben viel wirklichen, ich möchte sagen: protzigen, Reichtum gesehen; und viel teils schlimme Armut. Daneben haben wir gelernt, dass die Preise zB in der Gastronomie deshalb so niedrig sind, weil das Servicepersonal nur einen Minilohn (S.A. max 200-250 Euro/Monat; Mindestlohn in Namibia nur 7 N$ die Stunde, unter 0,50 EUR!) bekommt – sie leben alle vom Trinkgeld. Keine Gäste, kein Trinkgeld. Es geht noch schlimmer, es gibt Jobs, die werden gar nicht bezahlt – diese Leute arbeiten ausschließlich für Trinkgeld. Dies sind zB die überall anzutreffenden (und in S.A. mittlerweile auch mit einer Art Ausweis ausgestatteten) „Parking Assistants“; und vmtl noch div andere mehr (zB Tankstellen-Personal u.ä.).

Ebenfalls gelernt haben wir, dass nur Besserverdienende und Glückspilze, die für große Firmen arbeiten, krankenversichert sind. Krankenversichert heißt, sie und ihr Arbeitgeber zahlen einen Beitrag und im Krankheitsfalle werden gewisse (nicht alle!) Kosten übernommen. Ich persönlich habe zwischen dieser Tatsache und der unübersehbaren Masse an Kirchen (kleinste Orte haben mindestens 2-3 als solche erkennbare Kirchen; und vermutlich noch viel mehr informelle Bethäuser u.ä.) und Glaubenskongregationen einen Zusammenhang hergestellt, vielleicht ists nur meine Fantasie. Aber ich denke, die Menschen gehen in die Kirchen, weil sie dadurch all diese Unsicherheiten etwas leichter ertragen können. Die Hinwendung zum Religiösen war wirklich offensichtlich; zB sahen wir mehrfach in Restaurants Menschen (auch hippe, junge) vor dem Essen ein Gebet sprechen.

Apropos Gebet: in Südafrika scheint die multiethnische, multireligiöse, friedliche Gesellschaft Realität geworden zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, wurde das Land bisher von (scheinbar) religiös motivierten Terroranschlägen verschont? Besonders in der Gegend um Kapstadt sieht man ein sehr buntes, schwer vorstellbares Völkergemisch: alle Hautfarbschattierungen, alle denkbaren und undenkbaren Gesichtstypen und vor allem deren Mischungen, viele verschiedene, auch ethnische Kleidungsstile – aber es läuft sehr gelassen! Insgesamt nur 1 oder 2 mal sahen wir schwarz verhüllte Damen; den bunten, locker übers Haar gelegten Schal sieht man dagegen am Kap häufiger – aber wie gesagt, wir hatten den Eindruck, dass alle Menschen wirklich locker drauf waren. Nun hat die Multiethnizität speziell in der Kapgegend (Stichwort: Kap-Malaien) eine sehr lange (mehrere hundert Jahre alte) Tradition, was sicher einiges erklärt. Ich fand auch, dass seit meiner ersten Reise 1996 (die erste neue Regierung nach der Apartheid kam 1995 ans Ruder) sich in Punkto gemischte Gesellschaft vieles zum Besseren gewendet hat. Man sieht mittlerweile häufig gemischte Paare, und generell gibt es in S.A. kaum Orte / Plätze, die nur von Weißen besucht werden. Generell kann man sagen, dass es derzeit so ist, dass nicht Herkunft, Hautfarbe oder Religion bestimmen, wer sich wo trifft und miteinander Umgang hat, sondern fast ausschließlich die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gesellschaftsschicht. Innerhalb deren scheint man sich zu verstehen und die wesentlichen Werte zu teilen. Noch ein Fakt am Rande: Südafrika hat 1995 als erstes Land der Welt die sog „Homo-Ehe“ eingeführt.

Der Verkehr war wider Erwarten kein großes Ding – es herrscht Linksverkehr - außer in Teilen der Provinzen Eastern Cape und Mpumalanga. Vielleicht sind die Menschen dort heißblütiger? Sonst liefs eigentlich überall geordnet und ohne viel Rasen und Hupen u.ä. In den Millionenstädten stauts natürlich auch mal, aber alles kein Vergleich zu D. Unangenehm und gefährlich ist, dass es kaum irgendwo Bürgersteige gibt, d.h. die Menschen laufen auf den Fahrbahnen. In sehr großen Städten gibt es dazu eine Sorte Verwirrte, die auf großen Kreuzungen stehen und dort betteln oder anderweitig irgendwelche Freak-Shows veranstalten; da muss man extrem aufpassen, keinen anzufahren. Die Fernstraßen waren fast ausnahmslos in gutem oder sehr gutem Zustand, innerorts hats schon mal teils tüchtige Schlaglöcher. Es wird auch sehr viel an Straßen gebaut und ausgebaut, was bei der meist geringen Verkehrsdichte aber den Fluß nicht weiter beeinträchtigt.

Extrem präsent im Straßenbild fand ich die überall vorhandenen Werbetafeln für „Funeral Insurances“, wir würden wohl Sterbeversicherung dazu sagen. Das dies so ein Thema ist, dürfte wiederum der schlechten Gesundheitsversorgung und der insgesamt hohen Aids-Rate geschuldet sein.

Wirtschaftlich geht es S.A. nicht so gut. Ich erwähnte schon mal, das die Arbeitslosenquote bei 25% liegt; die Währung Rand ist schwach. Es gibt Regionen, wo die Arbeitslosigkeit deutlich geringer ist, und welche, wo sie sehr viel höher als 25% liegt. Das Land hat spürbar massive Probleme mit der Energieversorgung, es gab immer wieder Stromausfälle. Zum Ende hin erfuhren wir, dass diese mittlerweile sogar geplant sind (das heißt hier „load shedding“), da der einzige Energieversorger des Landes (ESKOM) eben einfach nicht genug Energie liefern kann. Um den Staatsbetrieb ESKOM gab es hier vor 1-2 Jahren einen riesigen Korruptions- und Misswirtschaftsskandal und dieses Thema ist immer noch ganz heiß für die Menschen – da leider nach wie vor keine grundlegende Lösung und Verbesserung in Sicht ist.

Und wie war Namibia? 

Für mich wars das 4. Mal.  – N. ist ca doppelt so groß wie D, hat aber nur ca 2,3 Mio Einwohner, d.h. 2 Einwohner pro km²!!! Die Wirtschaftskraft ist deutlich geringer als in S.A. Stromausfälle haben wir in N. keine erlebt. Das Land lebt von der Ausbeutung div Bodenschätze (Diamanten, Uran, Blei, Zink, div Mineralien etc), vom Tourismus und vom Fischfang. Ich fand, dass die Preise im Tourismussektor, besonders die der Lodges, extremst gestiegen sind und sich jetzt im Luxussegment bewegen (wobei ich echt bezweifle, dass die Leistung immer dem Preis entspricht). 200 Euro, gerne auch sehr, sehr viel mehr pro Tag und Nase (Vollpension + Übernachtung) scheinen „normal“. Das haben wir nicht bezahlt, es ist einfach verrückt. Diesbezüglich weist S.A. einfach eine deutliche größere Bandbreite an auch mittelpreisigen Unterkünften auf. Die Straßen in N sind nur zu einem kleinen Teil asphaltiert, der Rest ist Piste, und das in sehr unterschiedlichen Qualitäten – von babypopoglatt und 100kmh-fähig bis übelstes „Waschbrett“, nur 4x4 und max 20 kmh.
Ansonsten war es vor allem: extrem heiß; und leider blieb die wüstentypische, starke nächtliche Abkühlung meist aus. Auch die Einheimischen stöhnten, daher eben auch unsere Flucht nach Swakopmund.

Swakopmund, ich vergaß das im Post zu erwähnen, ist übrigens so eine Stadt, wo sich kaum was mischt: „weiß“ und „schwarz“ sind i.d.R. unter sich; bißchen seltsam. Wir trafen einige Deutsche, die vorhaben, sich in Swakop eine Immobilie zu kaufen – dieser Wunsch übersteigt mein Vorstellungsvermögen bei Weitem, da komm‘ ich nicht mit. Für mich wär‘ das fast Höchststrafe … so ein Kaff! Auch zieht es (jüngere) Südafrikaner nach NAM, fragt man: warum?; dann kommt die Antwort: weniger Kriminalität hier und weniger entwickeltes Land, daher mehr Geschäftsgelegenheiten. Und: in NAM haben die Bottle Stores (Läden, die Alkohol verkaufen) auch Sonntags geöffnet… das ist natürlich ein ganz wichtiges Argument 😊.

Zum Schluß noch Kleinkram, der uns auffiel:

- unsere Zimmerpflanzen wachsen in S.A. im Freien und werden mindestens 10x so groß

- Besonders in Gegenden mit hoher Luftfeuchtigkeit + warmen Temperaturen gibt es eine Unzahl an zT riesigen Insekten …. Brr…. Unschön! [wenn ich mich nicht meistens ekeln würde, hätte ich vermutlich ein paar neue Arten entdecken können 😊]

- Und in den allermeisten Restaurants wird total alte Musik gespielt, so 60er u. 70er Jahre, das war oft lustig – besonders wenn man, weil man mal wieder sehr lange aufs Essen warten musste, die Flasche Wein schon vorher leer hatte und dann schön mitsingen konnte. Natürlich nur ganz leise …
Wenn wir zu Hause sind, werde ich noch einige Fotos anfügen, das würde jetzt nicht funktionieren.
abendliche Gewitterstimmung bei Windhoek
verbindendes Ritual: Sundowner


Sonntag, 3. März 2019

Swakopmund


Eine gewisse Hitze- und Campingmüdigkeit treiben uns ins fast europäische Klima Swakopmunds, der „deutschen“ Kleinstadt an der kalten Atlantik-Westküste. Wir waren schon mal hier und fanden es eigentlich nur so mittel. Aber es ist derzeit der einzige Ort in NAM, wo angenehme Temperaturen herrschen. Und so mieten wir uns in ein Guesthouse ein, dessen Preis da Nebensaison, nur wenig über den Camping-Kosten liegt. Die Tage verbringen wir mit Spazierengehen, gaaanz viel Lesen (Ute), Kaffeetrinken und abends Essen gehen. Das ist der vermutlich langweiligste Teil unserer Reise, aber das macht nichts, da wir uns gedanklich und in meinem Falle auch praktisch (Aushilfsarbeit in meiner ehemaligen Firma) auf die Rückkehr in die Realität vorbereiten.

S. ist ein sehr merkwürdiges Städtchen. Es liegt am kalten Atlantik (Benguela-Strom, daher kalt) mitten in der Namib-Wüste. Es war eine frühe Gründung der deutschen Kolonialisten, richtige Häuser wurden dann so ab 1904 gebaut. Die deutsche Kolonial“herrlichkeit“ war hier 1915 schon wieder vorbei, als Deutsch-Südwest-Afrika an das mit den Briten verbündete Südafrika fiel (und unter dessen Protektorat blieb bis 1990 schließlich das unabhängige Namibia ausgerufen wurde); umso mehr erstaunt es, wie deutsch es sich hier nach über 100 Jahren immer noch anfühlt und auch aussieht. Die Stadt hat 60-80.000 Einwohner, nur ca. 20.000 leben im deutschen, dem „weißen“ Teil der Stadt, der Rest im Township. Von den ca. 20.000 Weißen sind ca. 2500 „echt“ deutsch. Die Stadt ist erkennbar angelegt, die Straßen sind sauber, es gibt eine echte Müllabfuhr und immer noch jede Menge deutsche Straßennamen (Bismarckstr., Bäckerstraße...)  usw. Es gibt zwei deutsche Buchhandlungen, diverse deutsche Bäckereien / Konditoreien, Eisdielen, ein gutes deutsches Museum und jede Menge anderer deutscher Geschäfte und deutscher Kneipen und Restaurants. Plus natürlich sehr viele deutsche Touristen – auch Überwinterer (die werden von den fest hier lebenden Deutschen „Biltongs“ [das bedeutet soviel wie Trockenfleisch] genannt, weil sie sich am Strand unter der durchaus brennenden Sonne rösten). Die Angestellten der Läden und Restaurants sind nicht ausschließlich farbige Einheimische, es arbeiten hier auch viele Weiße in diesen schlecht bezahlten Jobs. Wie gesagt, bißchen surreal das Ganze, aber für eine Woche ganz gut auszuhalten. Leben würde ich hier keinesfalls wollen.

Ein paar Fotos zur Illustration:
Swakopmund, Küste
Swakopmund
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes / Biergarten mit freilaufenden Hühnern und Küken
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes / Biergarten mit freilaufenden Hühnern und Küken
deutsches Frühstück!
Swakopmund, Einkaufsstrasse
Swakopmund, Strand-Hotel
Swakopmund, Leuchtturm
Swakopmund, Blick auf die Wüste hinter der Stadt
Ralf vor größtem Quartzkristall der Welt 
noch mehr schöne Steinchen
Swakopmund, ehem. Lazarett, heute ein Hotel
Swakopmund, ehem. deutsche Kaserne
Swakopmund, ehem. Bahnhof, heute Hotel
Kriegerdenkmal für die deutschen Kämpfer gegen die Herero (1904/05)
Last but not least: in der örtlichen Beach Bar, das Meer unter den Füßen (man beachte: mit Clausthaler!)