Mittwoch, 1. Januar 2020

Viele Superlative - durch den „tiefen“ Süden an die Ostküste; Charleston und Savannah (25.11.-9.12.)

in Natchez, auch dieses Wohnhaus steht zum Verkauf

An Texas schließt sich im Osten der Bundesstaat Louisiana an. Das ist sozusagen die Provinz der Provinz, wir erwarten nichts und wollen nur fix durch den "Bible Belt" fahren. Entlang der Landstrasse kommt tatsächlich auf drei Wohnhäuser ein religiöser Versammlungsraum. Ralfs Liebling: die "Red River Cowboy Church". Unser Ziel ist Natchez (am Mississippi, in Mississippi). Am Weg liegt die kleine Stadt mit dem ulkigen Namen Natchitoches, laut RF hat sie ein historisches Zentrum. (Man liest das häufiger, in der Regel bedeutet es, das zwei oder drei olle Häuser da sind.)
Aber diesmal versuchen wir es und fahren in die historische Innenstadt – und uns steht derart der Mund offen, das wir uns gar nicht mehr einkriegen. Viele schön renovierte Wohn- und Geschäftshäuser, Villen - zum Teil noch aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg und alles in wunderbar amerikanisch-kitschiger Weihnachtsdeko mit ebensolcher Lautsprechermusik. Herrlich!!!

Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches
Wir fahren vom Campingplatz abends nochmal rein um die vielen Lichter im Dunklen zu sehen. Für Amerikaner scheint dies kein Geheimtipp mehr zu sein – die Stadt veranstaltet diesen Weihnachtszauber seit Jahren und es zieht viele Inlandstouristen an.

Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches
Natchitoches - das ist das Haus aus dem Film "Magnolien aus Stahl"
Natchitoches
Am Tag drauf machen wir auf dem super-schön und -ruhig gelegenen CP vor der Stadt Waschtag. Es ist ganz komisches Wetter: sehr warm, sehr hohe Luftfeuchtigkeit, kein Wind. Am Nachmittag besuchen uns ein paar Mitcamper und informieren uns so nebenbei, dass grade eine „Tornado Watch“ aktiv gegangen sei. Wir haben zum Glück Internet auf dem Platz und ich google mir schnell erstmal etwas Wissen zusammen und lade einige Sturmwarnungs-Apps runter. „Watch“ bedeutet: Tornado kann kommen, sei vorbereitet und aufmerksam. „Warning“ bedeutet: er kommt, renn sofort in den Schutzraum! Wir lernen: bei Tornados geht es nur darum, sein Leben und seine Gesundheit zu retten. Alles andere ist in Gottes Hand. Und retten kann man sich nur, indem man sich in einem Schutzraum aufhält, bis der Sturm vorbei ist. Auf dem CP ist das Sanitärhaus, da aus Stein gemauert, der Schutzraum. Ich machs kurz: wir hatten einen unangenehmen, extrem schwülen und besorgten Abend. Der Tornado kam zum Glück nicht und nach einer stürmisch-stickigen Nacht drehte am Morgen der Wind und die Wetterlage war vorbei.

Marzipanstollen vom Aldi für Ralf!
Tornado, ja oder nein?
sieht gruslig aus und fühlte sich auch so an
Nächstes Ziel ist Natchez am Mississippi und im Bundestaat Mississippi gelegen. Auch dort gibt’s Historisches zu sehen. Wir campen allerschönst ggü direkt am Fluss, in der noch in Louisiana gelegenen Kleinstadt Vidalia. Nach Natchez sind es nur ca 6 km über die große Brücke.
Natchez strotzt in der Tat vor schönen, alten Wohnhäusern. Diese stehen gefühlt zu mindestens 2/3 zum Verkauf (zu – auf den ersten Blick – durchaus moderaten Preisen, wie der Blick auf die Website eines Maklers zeigt); aber in den Geschäftsstraßen stehen auch vielleicht die Hälfte der Geschäfte leer... wie schade.

bunte Wildblümchen auf dem CP in Vidalia
der Mississippi! - über die Brücke gehts nach Natchez, das direkt am Ufer liegt
Natchez
Natchez
Natchez
Natchez
Natchez, die Synagoge
Natchez, und auch "for sale"
Natchez
Natchez
Natchez
Natchez
Natchez

Wir wissen, dass Mississippi der ärmste Bundesstaat der Vereinigten Staaten sein soll. Später, beim Besichtigen des alten Herrenhauses „Rosalie“ erfahren wir, dass Natchez ein Überalterungsproblem hat: lukrative Arbeit gibt es rundrum wenig, und den alten Damen, die noch in den großen, alten Häusern wohnen, gehen wohl Geld und Kraft für deren Erhalt aus; so versuchen sie zu verkaufen. Wir hoffen und wünschen Natchez, dass sie das Problem in den Griff bekommen – denn die Stadt hat viel Flair und einen etwas müden Charme.

Ein echter Mississippi-Dampfer, als Flußkreuzfahrtschiff unterwegs
Natchez, ehem. Herrenhaus "Rosalie", war bis 1958 bewohnt
"Rosalie" Mansion
"Rosalie" Mansion - der überdachte Gang führt von der Küche, die im Süden
 NIE im Haus war (wg. der Wärme und der Feuergefahr) zum Haus.
Alle Speisen wurden von den Dienern ins Haus getragen
"Rosalie" Mansion, Salon
"Rosalie" Mansion, Blick auf den Mississippi
"Rosalie" Mansion
tolle Deko "Christmas in the bayou", die Alligatoren bewegten die Beine
und noch ne hübsche Deko; es gibt reichlich davon
Nach 2 Tagen in und um Natchez nehmen wir die Straße nach Alabama unter die Räder. Und zwar eine wirklich ganz besondere Straße: den Natchez Trace Parkway. Dies ist eine von nur 2 ½ „Ur-Autostraßen“ der USA (die andere ist der Blue Ridge Parkway, der durch die Appalachen führt und die „halbe“ ein kleines Stück Straße bei Cape Hatteras). Der Name rührt von einem alten Handelspfad, dem Natchez Trace her, der praktisch schon immer von handeltreibenden First Nations, Trappern u.ä. genutzt wurde. Die Autostraße folgt grob dessen Route. Der Natchez Trace Parkway wird (seit Jahrzehnten) vom Nationalpark-Service gemanagt (was seine Bedeutung nochmals unterstreicht).

Natchez Trace Parkway ... so geht das 500 Meilen lang
Natchez Trace Parkway, eine der vielen einfachen Herbergen, die es früher am alten Natchez Trace gab
Es ist ein Traum, den Parkway zu fahren! Man stelle sich vor: ein alter Film, zB mit Rühmann. Der Held sitzt lässig im Cabrio, behandschuhte Hände am Lenkrad, eine Mütze auf dem Kopf und in der Brise der Windmaschine flattert der um den Hals geschlungene Seidenschal. Am Filmset läuft das Auto auf Rollen, und fleißige HiWis ziehen die Leinwand mit der „Landschaft“ am Auto vorbei. So fühlt sich das Fahren auf dem Natchez Trace Parkway an! Ein glattes Asphaltband, zweispurig, feinporig, schlagloch- und „hoppel“frei, keine Kreuzungen, praktisch keinerlei anderer Verkehr, rechts und links schöne Landschaft – Bäume, Wiesen, ab und an ein Reh oder ein schöner Vogel... wir gleiten durchs Land und Ralf kriegt sich vor Begeisterung nicht mehr ein. Autofahrers Himmel auf Erden – es gibt ihn! Kaffeepause machen wir an einem malerischen Stausee am Weg.

das ist ein Stück des alten Natchez Trace
                                
Natchez Trace Parkway
Natchez Trace Parkway, Stausee
Natchez Trace Parkway
Irgendwann, nach ca 150 Meilen, müssen wir leider den insgesamt 500 Meilen (von Natchez bis nach Memphis/Tennessee) langen Parkway verlassen, aber es war ein Traum-Fahrtag!

Ich möchte gerne über Birmingham fahren, hauptsächlich, um die Statue des „Vulcan“ zu sehen. Alabama war mal das Zentrum der Eisen- und Stahlindustrie und als Werbung für den Wirtschaftsstandort trat man zur Weltausstellung 1904 in St. Louis mit der (bis heute weltgrößten) gußeisernen Statue des Vulkan, Gott des Feuers und der Schmiede, an. Es war ein Riesenerfolg, und Vulcan bekam seinen Platz auf den Hügeln des Red Mountain (der die Stadt quasi teilt) wo er bis heute steht. Eindrucksvolle Geschichte, in mehr als einer Hinsicht und eine schöne Aussicht hat man auch.

Weihnachtsdeko überall: im Tannehill State Park Nähe Birmingham, wo wir übernachten
 im Tannehill State Park
 im Tannehill State Park
 im Tannehill State Park, es gab eine Art kleinen Weihnachtsmarkt, und ER war natürlich auch da!
 im Tannehill State Park: bis 1865 war hier eine Eisengießerei, die die Konföderierten mit Waffen versorgte
Zum Ende des Bürgerkrieges wurde sie von den siegreichen Unionstruppen zerstört
Blick auf Birmingham
Vulkanstatue auf dem Red Mountain
Vulcan
Originalgroßer Abguß eines Fußes, das Teil ist gute 3m hoch!
Die Nacktärschigkeit sorgte in der Vergangenheit immer mal wieder für Diskussionen

In Georgia halten wir uns nicht auf, denn unser Ziel heißt Charleston. Charleston wird an der Ostküste unsere nördlichste Destination bleiben. Noch weiter gen Norden könnte es schon sehr kühl werden.

Charleston haut uns um: die Innenstadt wirkt für uns schön und fremd – nicht amerikanisch, nicht europäisch. Am ehesten vielleicht wie eine Mischung aus Nizza und Südengland, mit viel Reichtum garniert. Derart unfaßbar große, tolle, gigantische, restaurierte Wohn-Schlösser haben wir noch nirgendwo gesehen! Wir laufen die mehrere Kilometer lange King Street hinab zum Wasser (wo die dicksten Paläste stehen). Sie ist die historische Einkaufsstraße Charlestons, und hier gibt es kaum Filialisten (nur ganz edle...), kein Starbucks, keine Fast Foodläden – ausschließlich schöne, teure, individuelle alte Geschäfte mit wunderschönen Auslagen. Tolle Klamotten!, ok, vermutlich hätte es nichts in meiner Größe gegeben (die echte Südstaatenlady ist diszipliniert und darob schlank; ist sie nicht schlank, ist sie keine Lady ☺); aber es ist einfach schön anzuschauen. Es sind relativ wenige Touristen unterwegs, zum Glück, und dafür relativ viele Menschen, die man für Charlestonians halten könnte. Wir sehen elegante Damen unverschwitzt aus der Yogastunde kommen, wir sehen bestens frisierte Mütter mit ihren kleinen Töchtern (beide in Maßgarderobe aus identischen Stoffen, der Hammer!); kurz gesagt, es haut einen um... etwas surreal, das Ganze, aber toll anzuschauen.

King Street, Hauptgeschäftsstraße
King Street, Eingang eines Kinos aus den 30er Jahren
King Street, Hauptgeschäftsstraße
King Street: bei diesem Herrenausstatter gibt es Smokingfliegen aus echten Vogelfedern
Battery Park
Charleston, Wohn-Palast
das Wort "Säulenvilla" wurde vermutlich hier erfunden

Wohnpaläste entlang der Bucht
Brücke über die Bucht
Wohnpaläste entlang der Bucht
Kein Wohnhaus, sondern das "bescheidene" Gebäude der US-Customs (Zoll)
Market Street, mit einer der mehreren Markthallen

Wir besichtigen noch die Reste des alten Indoor-Sklavenmarktes – denn auf diesen „Handel“ und auf Zuckerrohr- und Baumwollplantagen (auf denen natürlich Sklaven arbeiteten) gründet sich Charlestons Reichtum. Neu ist uns, wie kostspielig es war, einen Sklaven zu kaufen: für einen jüngeren, körperlich und geistig agilen Mann musste etwa der heutige Gegenwert eines sehr guten Mittelklassewagens gezahlt werden. Hätte ich so nicht erwartet...

Ob der ganzen Staunerei und Guckerei vergisst Ralf unsere neue, kleine Kamera auf einer Parkbank, wir finden bzw. bekommen sie nicht wieder. Um Charleston gibt es einige historische Plantagen zu besichtigen – was wir uns aber angesichts der Eintrittspreise von um die 40 Dollar pro Person schweren Herzens verkneifen. Das gibt das Budget echt nicht her.

Nach Charleston steht Savannah auf dem Plan, es ist nur zwei gemütliche Tagesfahrten weit entfernt. Nachdem uns Charleston so begeistert hat, überlegen wir kurz, Savannah auszulassen, denn was könnte dort noch toller sein? Aber es liegt am Weg, und so fahren wir hin.

Savannah ist auch alt, aber ganz anders – ebenfalls sehr schön restauriert, wirkt aber nicht ganz so unfassbar reich und abgehoben; irgendwie hat es eine menschlichere Dimension. Und wird zu meiner bisherigen Lieblingsstadt in den Staaten!

Sümpfe und Marschen soweit das Auge reicht
Die Brücke überspannt den Savannah River, auf der anderen Seite liegt die Stadt
für den Weihnachts-Show-Auftritt kostümiert...
Savannah, Waterfront
Deko und Party überall....
Weihnachtssingen auf amerikanisch
ja, auch der konnte sich nicht wehren
altes Kaufhaus in der Haupt-Einkaufsstraße

die innerstädtischen Wohnviertel sind alle alt und die Häuser meist schön renoviert
selbst die Parkbank wurde dekoriert
Savannah
Savannah
Es gibt entlang des Savannah River eine Waterfront, mit ehemaligen Lagerhäusern (Speicherstadt lässt grüßen), eine recht normale, nette alte Einkaufsstraße und dann die innerstädtischen Wohnviertel mit vielen kleinen parkähnlichen Plätzen und einem großen Park. Der Film „Forrest Gump“ wurde übrigens hier gedreht. Die kleinen, parkähnlichen Plätze wurden ursprünglich als Brandschneisen angelegt. Bei unserem Besuch sind sie weihnachtlich dekoriert, bis hin zum letzten Papierkorb!

überall hängt Spanish Moss an den Bäumen, für uns ist der Anblick hier noch neu und sehr faszinierend
Savannah, Park mit wunderschönem Springbrunnen
Kamelien?

eine Traumveranda
diese Pfosten zum Pferde anbinden findet man noch vor vielen der alten Häuser

Am anderen Ende des tollen, großen Parks mit dem schönen Springbrunnen gibt es eine vorweihnachtliche Armenspeisung. Wie fast überall sind auch hier Licht und Schatten dicht beieinander.

Von Savannah aus werden wir an die Atlantikküste Floridas, nach St. Augustine, fahren – dort sind wir für einige Tage mit Reisefreunden verabredet, worauf wir uns schon sehr freuen. Darüber schreibe ich im nächsten Post.


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