Donnerstag, 7. März 2019

So – und wie wars nun?


Zum Runterkommen nach dem wirklich extremen Streß der Haushaltsauflösung war die Reise super und auch als „Übungsparcours“ für eine längere Tour Klasse.  Wir haben gelernt, dass die Welt nicht untergeht oder sonst was Schlimmes passiert, wenn man ein paar Tage einfachmal vertrödelt. OK, der Hosenbund wird dann rasch enger, das haben wir nach solchen „Faul-Tagen“ immer gleich gemerkt. Ganz überwiegend waren wir ziemlich entspannt unterwegs.

Wir sind insgesamt ca 13.500 km gefahren (alles Ralf), hatten keinen Unfall und keine Panne. Das macht auf 100 Tage rechnet einen Durchschnitt von 135 km pro Tag. Wir haben dabei knapp 1000 l Benzin verfahren, zum Literpreis von immer unter 1,--EUR. Gecampt haben wir etwa 2/3 der Zeit, während des restlichen Drittels hatten wir feste Unterkünfte.

Im Nachhinein betrachtet hätten wir uns auf der Gardenroute deutlich mehr Zeit lassen können und dafür den Namibia-Part kürzen. Aber das „Beeilen“ ist ein Anfänger-Fehler, praktisch allen Langzeit-Touris passiert das Anfangs. Gut war auch, dass wir uns um Geld bzw. das Ausgeben desselben wenig Gedanken gemacht haben. S.A. und NAM sind nicht sooo billig, aber letztlich relativiert sich das meistens. Wir waren nicht krank; hatten nur mal eine Magenverstimmung o.ä., aber nichts weshalb man zum Arzt oder großartig Medikamente nehmen müsste. ………. Es gibt überhaupt nur einen nennenswerten negativen Aspekt: ich (Ute) habe den Kontakt zu Freunden und Bekannten zu Hause schon vermisst. Skypen geht, aber man muss sich dazu verabreden, weil wir nur gelegentlich online sein konnten. Die Verbindung war auch meist so instabil, dass wir das Bild besser weggelassen haben. Ich habe mich immer sehr gefreut auch über kleinste Telegram-Mitteilungen von zu Hause. Ab Mai: Bitte mehr davon!!! Man lernt kaum andere Touristen kennen, denn die haben ja alle keine Zeit. Dafür konnten wir uns mit einigen „Locals“ teils ausführlich unterhalten, wenngleich daraus keine bleibenden Kontakte entstanden sind.

Und wie war Südafrika? – Südafrika, was wir jetzt zum 3. Mal besucht haben, war Klasse. Und nein, wir haben keine gefährlichen Situationen erlebt (was keinesfalls heißt, dass es sie nicht gibt). Was wir irgendwie überhaupt nicht auf dem Schirm hatten, war, dass Südafrika außer im Norden ja ausschließlich Küsten-Grenzen hat. Und die Küsten sind so toll, alle. Sehr verschieden, landschaftlich und auch klimatisch, aber alle Klasse. Deswegen haben wir uns auch soviel entlang der Küstenlinie aufgehalten. Insgesamt waren alle Landschaften, die wir sahen, auf ihre Art faszinierend und beeindruckend – vom heißen, kargen Nordwesten über die grüne, fruchtbare Gardenroute bis hin zum dichten afrikanischen Busch im Krügerpark. Zum 3. Mal nicht geschafft haben wir die Drakensberge, es war im fraglichen Zeitfenster dort mal wieder ausgesucht schlechtes Wetter.

Das Allerbeste in S.A. jedoch waren die überaus freundlichen Menschen. Das Leben dort ist nicht leicht und geprägt von wirklich extremen Gegensätzen. Jedoch ist praktisch jeder sehr freundlich und sehr höflich und die meisten Menschen wirken entspannt (wie tief das geht, vermag ich nicht zu beurteilen; ich rate: manchmal ist die „Entspanntheit“ wohl Fatalismus). Die Freundlichkeit äußert sich darin, dass – außer im Zentrum der großen Städte – praktisch jeder jeden nett grüßt, und gar nicht selten wechselt man auch noch ein paar Sätze. Während der Zeit in Fish Hoek (ok, das war jetzt eine Ferienregion und -situation) haben wir jeden Tag kurz mit völlig fremden, unterschiedlichen Menschen gesprochen. Ich fand das Klasse, und da ich ja notorisch neugierig bin, habe ich denen mitunter auch schamlos die dümmsten Fragen gestellt (ja, auch sehr dunkelhäutige Menschen kriegen Sonnenbrand, sieht man nicht, fühlt es aber…). Wir haben viel wirklichen, ich möchte sagen: protzigen, Reichtum gesehen; und viel teils schlimme Armut. Daneben haben wir gelernt, dass die Preise zB in der Gastronomie deshalb so niedrig sind, weil das Servicepersonal nur einen Minilohn (S.A. max 200-250 Euro/Monat; Mindestlohn in Namibia nur 7 N$ die Stunde, unter 0,50 EUR!) bekommt – sie leben alle vom Trinkgeld. Keine Gäste, kein Trinkgeld. Es geht noch schlimmer, es gibt Jobs, die werden gar nicht bezahlt – diese Leute arbeiten ausschließlich für Trinkgeld. Dies sind zB die überall anzutreffenden (und in S.A. mittlerweile auch mit einer Art Ausweis ausgestatteten) „Parking Assistants“; und vmtl noch div andere mehr (zB Tankstellen-Personal u.ä.).

Ebenfalls gelernt haben wir, dass nur Besserverdienende und Glückspilze, die für große Firmen arbeiten, krankenversichert sind. Krankenversichert heißt, sie und ihr Arbeitgeber zahlen einen Beitrag und im Krankheitsfalle werden gewisse (nicht alle!) Kosten übernommen. Ich persönlich habe zwischen dieser Tatsache und der unübersehbaren Masse an Kirchen (kleinste Orte haben mindestens 2-3 als solche erkennbare Kirchen; und vermutlich noch viel mehr informelle Bethäuser u.ä.) und Glaubenskongregationen einen Zusammenhang hergestellt, vielleicht ists nur meine Fantasie. Aber ich denke, die Menschen gehen in die Kirchen, weil sie dadurch all diese Unsicherheiten etwas leichter ertragen können. Die Hinwendung zum Religiösen war wirklich offensichtlich; zB sahen wir mehrfach in Restaurants Menschen (auch hippe, junge) vor dem Essen ein Gebet sprechen.

Apropos Gebet: in Südafrika scheint die multiethnische, multireligiöse, friedliche Gesellschaft Realität geworden zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, wurde das Land bisher von (scheinbar) religiös motivierten Terroranschlägen verschont? Besonders in der Gegend um Kapstadt sieht man ein sehr buntes, schwer vorstellbares Völkergemisch: alle Hautfarbschattierungen, alle denkbaren und undenkbaren Gesichtstypen und vor allem deren Mischungen, viele verschiedene, auch ethnische Kleidungsstile – aber es läuft sehr gelassen! Insgesamt nur 1 oder 2 mal sahen wir schwarz verhüllte Damen; den bunten, locker übers Haar gelegten Schal sieht man dagegen am Kap häufiger – aber wie gesagt, wir hatten den Eindruck, dass alle Menschen wirklich locker drauf waren. Nun hat die Multiethnizität speziell in der Kapgegend (Stichwort: Kap-Malaien) eine sehr lange (mehrere hundert Jahre alte) Tradition, was sicher einiges erklärt. Ich fand auch, dass seit meiner ersten Reise 1996 (die erste neue Regierung nach der Apartheid kam 1995 ans Ruder) sich in Punkto gemischte Gesellschaft vieles zum Besseren gewendet hat. Man sieht mittlerweile häufig gemischte Paare, und generell gibt es in S.A. kaum Orte / Plätze, die nur von Weißen besucht werden. Generell kann man sagen, dass es derzeit so ist, dass nicht Herkunft, Hautfarbe oder Religion bestimmen, wer sich wo trifft und miteinander Umgang hat, sondern fast ausschließlich die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gesellschaftsschicht. Innerhalb deren scheint man sich zu verstehen und die wesentlichen Werte zu teilen. Noch ein Fakt am Rande: Südafrika hat 1995 als erstes Land der Welt die sog „Homo-Ehe“ eingeführt.

Der Verkehr war wider Erwarten kein großes Ding – es herrscht Linksverkehr - außer in Teilen der Provinzen Eastern Cape und Mpumalanga. Vielleicht sind die Menschen dort heißblütiger? Sonst liefs eigentlich überall geordnet und ohne viel Rasen und Hupen u.ä. In den Millionenstädten stauts natürlich auch mal, aber alles kein Vergleich zu D. Unangenehm und gefährlich ist, dass es kaum irgendwo Bürgersteige gibt, d.h. die Menschen laufen auf den Fahrbahnen. In sehr großen Städten gibt es dazu eine Sorte Verwirrte, die auf großen Kreuzungen stehen und dort betteln oder anderweitig irgendwelche Freak-Shows veranstalten; da muss man extrem aufpassen, keinen anzufahren. Die Fernstraßen waren fast ausnahmslos in gutem oder sehr gutem Zustand, innerorts hats schon mal teils tüchtige Schlaglöcher. Es wird auch sehr viel an Straßen gebaut und ausgebaut, was bei der meist geringen Verkehrsdichte aber den Fluß nicht weiter beeinträchtigt.

Extrem präsent im Straßenbild fand ich die überall vorhandenen Werbetafeln für „Funeral Insurances“, wir würden wohl Sterbeversicherung dazu sagen. Das dies so ein Thema ist, dürfte wiederum der schlechten Gesundheitsversorgung und der insgesamt hohen Aids-Rate geschuldet sein.

Wirtschaftlich geht es S.A. nicht so gut. Ich erwähnte schon mal, das die Arbeitslosenquote bei 25% liegt; die Währung Rand ist schwach. Es gibt Regionen, wo die Arbeitslosigkeit deutlich geringer ist, und welche, wo sie sehr viel höher als 25% liegt. Das Land hat spürbar massive Probleme mit der Energieversorgung, es gab immer wieder Stromausfälle. Zum Ende hin erfuhren wir, dass diese mittlerweile sogar geplant sind (das heißt hier „load shedding“), da der einzige Energieversorger des Landes (ESKOM) eben einfach nicht genug Energie liefern kann. Um den Staatsbetrieb ESKOM gab es hier vor 1-2 Jahren einen riesigen Korruptions- und Misswirtschaftsskandal und dieses Thema ist immer noch ganz heiß für die Menschen – da leider nach wie vor keine grundlegende Lösung und Verbesserung in Sicht ist.

Und wie war Namibia? 

Für mich wars das 4. Mal.  – N. ist ca doppelt so groß wie D, hat aber nur ca 2,3 Mio Einwohner, d.h. 2 Einwohner pro km²!!! Die Wirtschaftskraft ist deutlich geringer als in S.A. Stromausfälle haben wir in N. keine erlebt. Das Land lebt von der Ausbeutung div Bodenschätze (Diamanten, Uran, Blei, Zink, div Mineralien etc), vom Tourismus und vom Fischfang. Ich fand, dass die Preise im Tourismussektor, besonders die der Lodges, extremst gestiegen sind und sich jetzt im Luxussegment bewegen (wobei ich echt bezweifle, dass die Leistung immer dem Preis entspricht). 200 Euro, gerne auch sehr, sehr viel mehr pro Tag und Nase (Vollpension + Übernachtung) scheinen „normal“. Das haben wir nicht bezahlt, es ist einfach verrückt. Diesbezüglich weist S.A. einfach eine deutliche größere Bandbreite an auch mittelpreisigen Unterkünften auf. Die Straßen in N sind nur zu einem kleinen Teil asphaltiert, der Rest ist Piste, und das in sehr unterschiedlichen Qualitäten – von babypopoglatt und 100kmh-fähig bis übelstes „Waschbrett“, nur 4x4 und max 20 kmh.
Ansonsten war es vor allem: extrem heiß; und leider blieb die wüstentypische, starke nächtliche Abkühlung meist aus. Auch die Einheimischen stöhnten, daher eben auch unsere Flucht nach Swakopmund.

Swakopmund, ich vergaß das im Post zu erwähnen, ist übrigens so eine Stadt, wo sich kaum was mischt: „weiß“ und „schwarz“ sind i.d.R. unter sich; bißchen seltsam. Wir trafen einige Deutsche, die vorhaben, sich in Swakop eine Immobilie zu kaufen – dieser Wunsch übersteigt mein Vorstellungsvermögen bei Weitem, da komm‘ ich nicht mit. Für mich wär‘ das fast Höchststrafe … so ein Kaff! Auch zieht es (jüngere) Südafrikaner nach NAM, fragt man: warum?; dann kommt die Antwort: weniger Kriminalität hier und weniger entwickeltes Land, daher mehr Geschäftsgelegenheiten. Und: in NAM haben die Bottle Stores (Läden, die Alkohol verkaufen) auch Sonntags geöffnet… das ist natürlich ein ganz wichtiges Argument 😊.

Zum Schluß noch Kleinkram, der uns auffiel:

- unsere Zimmerpflanzen wachsen in S.A. im Freien und werden mindestens 10x so groß

- Besonders in Gegenden mit hoher Luftfeuchtigkeit + warmen Temperaturen gibt es eine Unzahl an zT riesigen Insekten …. Brr…. Unschön! [wenn ich mich nicht meistens ekeln würde, hätte ich vermutlich ein paar neue Arten entdecken können 😊]

- Und in den allermeisten Restaurants wird total alte Musik gespielt, so 60er u. 70er Jahre, das war oft lustig – besonders wenn man, weil man mal wieder sehr lange aufs Essen warten musste, die Flasche Wein schon vorher leer hatte und dann schön mitsingen konnte. Natürlich nur ganz leise …
Wenn wir zu Hause sind, werde ich noch einige Fotos anfügen, das würde jetzt nicht funktionieren.
abendliche Gewitterstimmung bei Windhoek
verbindendes Ritual: Sundowner


Sonntag, 3. März 2019

Swakopmund


Eine gewisse Hitze- und Campingmüdigkeit treiben uns ins fast europäische Klima Swakopmunds, der „deutschen“ Kleinstadt an der kalten Atlantik-Westküste. Wir waren schon mal hier und fanden es eigentlich nur so mittel. Aber es ist derzeit der einzige Ort in NAM, wo angenehme Temperaturen herrschen. Und so mieten wir uns in ein Guesthouse ein, dessen Preis da Nebensaison, nur wenig über den Camping-Kosten liegt. Die Tage verbringen wir mit Spazierengehen, gaaanz viel Lesen (Ute), Kaffeetrinken und abends Essen gehen. Das ist der vermutlich langweiligste Teil unserer Reise, aber das macht nichts, da wir uns gedanklich und in meinem Falle auch praktisch (Aushilfsarbeit in meiner ehemaligen Firma) auf die Rückkehr in die Realität vorbereiten.

S. ist ein sehr merkwürdiges Städtchen. Es liegt am kalten Atlantik (Benguela-Strom, daher kalt) mitten in der Namib-Wüste. Es war eine frühe Gründung der deutschen Kolonialisten, richtige Häuser wurden dann so ab 1904 gebaut. Die deutsche Kolonial“herrlichkeit“ war hier 1915 schon wieder vorbei, als Deutsch-Südwest-Afrika an das mit den Briten verbündete Südafrika fiel (und unter dessen Protektorat blieb bis 1990 schließlich das unabhängige Namibia ausgerufen wurde); umso mehr erstaunt es, wie deutsch es sich hier nach über 100 Jahren immer noch anfühlt und auch aussieht. Die Stadt hat 60-80.000 Einwohner, nur ca. 20.000 leben im deutschen, dem „weißen“ Teil der Stadt, der Rest im Township. Von den ca. 20.000 Weißen sind ca. 2500 „echt“ deutsch. Die Stadt ist erkennbar angelegt, die Straßen sind sauber, es gibt eine echte Müllabfuhr und immer noch jede Menge deutsche Straßennamen (Bismarckstr., Bäckerstraße...)  usw. Es gibt zwei deutsche Buchhandlungen, diverse deutsche Bäckereien / Konditoreien, Eisdielen, ein gutes deutsches Museum und jede Menge anderer deutscher Geschäfte und deutscher Kneipen und Restaurants. Plus natürlich sehr viele deutsche Touristen – auch Überwinterer (die werden von den fest hier lebenden Deutschen „Biltongs“ [das bedeutet soviel wie Trockenfleisch] genannt, weil sie sich am Strand unter der durchaus brennenden Sonne rösten). Die Angestellten der Läden und Restaurants sind nicht ausschließlich farbige Einheimische, es arbeiten hier auch viele Weiße in diesen schlecht bezahlten Jobs. Wie gesagt, bißchen surreal das Ganze, aber für eine Woche ganz gut auszuhalten. Leben würde ich hier keinesfalls wollen.

Ein paar Fotos zur Illustration:
Swakopmund, Küste
Swakopmund
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes / Biergarten mit freilaufenden Hühnern und Küken
Nähe Swakop, in der Oase Goanikontes / Biergarten mit freilaufenden Hühnern und Küken
deutsches Frühstück!
Swakopmund, Einkaufsstrasse
Swakopmund, Strand-Hotel
Swakopmund, Leuchtturm
Swakopmund, Blick auf die Wüste hinter der Stadt
Ralf vor größtem Quartzkristall der Welt 
noch mehr schöne Steinchen
Swakopmund, ehem. Lazarett, heute ein Hotel
Swakopmund, ehem. deutsche Kaserne
Swakopmund, ehem. Bahnhof, heute Hotel
Kriegerdenkmal für die deutschen Kämpfer gegen die Herero (1904/05)
Last but not least: in der örtlichen Beach Bar, das Meer unter den Füßen (man beachte: mit Clausthaler!)

Samstag, 23. Februar 2019

Namibia, im Süden


Wir fahren von der südafrikanisch-namibischen Grenze weiter durch Karasburg und Grünau (beides gottverlassene Nester); ab Grünau müssen wir Piste fahren, die leider an „serious washouts“ (schweren Auswaschungen) leidet, wie uns ein aufgestelltes Schild verkündet. Ralf liebt ja automobile Herausforderungen und so nimmt er auch diese sofort an (ich wäre da nie gefahren, nicht mit unserem „tiefergelegten“ Toyota Corolla; Bodenfreiheit keine 15 cm). Wir schaffen es tatsächlich, ohne steckenzubleiben und ohne Achsbruch o.ä. und nach „nur“ ca 50 km wird die Piste besser. Unser angesteuerter Übernachtungsort ist das Canyon Roadhouse, das auch einen Campingplatz hat. Dort möchten wir 2 Nächte bleiben – wird aber nix, nur 1 Nacht ist möglich, danach ist die Campsite „fully booked“. Darauf, eines der Zimmer zu buchen, verzichten wir, denn es würde an die 200,00 EUR pro Nacht kosten … irre.
Canyon Road House
Canyon Road House
Am nächsten Morgen geht’s zum Aussichtspunkt des Fish River Canyon – die letzten 10 km sind wiederum grenzwertig miese Piste [ich kapiers nicht: das ist eine Top-Sehenswürdigkeit Namibias. Warum schaffen sie es nicht, die Piste in vernünftigem Zustand zu halten?]. Wir fahren sehr langsam, so geht es. Mehr als Fotos machen ist leider nicht möglich, schade. Für die HeldInnen unter der LeserInnen: es gibt einen Fish River Canyon Walk, 85 km, 5 Tage / 4 Nächte. Nur gehbar zwischen April und September (also den kühleren Monaten) und nur gegen Vorlage eines ärztlichen Attests. Man muss ALLES mitschleppen, inkl. Essen und Wasser.
Blick in den Fish River Canyon
und hier sieht man auch den Fish River, er hat etwas Wasser
Die Weiterfahrt nach Keetmanshoop beschert uns weitere gut 100 km Piste, die aber überwiegend OK zu befahren ist. Unterwegs sehen wir selbstgemalte Schilder: „real coffee and Applestrudel“, na da müssen wir natürlich halten. Es ist die Farm von Meisje + Walt, die sich mit diesem kleinen Verpflegungsangebot plus einem ganz einfachen Campingplatz und 3 zu vermietenden „Iglus“ (Plastikhütten; überraschend ok, wir dürfen reingucken) über Wasser halten. Ich denke: ein  einfaches und auch einsames Leben; aber wer weiß, vielleicht sehen die Beiden das gar nicht so? Die beiden sind in die 50 und sehr nett; da wir Zeit haben, schwatzen wir ausführlich. Hier ein paar Fotos von der Farm:
In Keetmanshoop wohnen wir im „Schützenhaus“ – ja, hier lebt deutsche koloniale Vergangenheit (man fasst es manchmal nicht). Das Gasthaus wurde vor ein paar Jahren renoviert und man hat angebaut und offenbar läuft das Geschäft super. Nachmittags planschen wir im neuen Pool und abends sitzen wir im angeschlossenen Restaurant mit guter, deftiger südafrikanisch-deutscher Küche.
"Stadt"-Straße in K.
ehem. Missionskirche in K., heute Museum
Am Tag drauf fahren wir früh nach Lüderitz. L. an sich ist m.E. keine Reise wert, aber ganz in der Nähe ist der verlassene Ort Kolmanskop (früher in SWA [SWA: Südwestafrika] Kolmannskuppe), und das wollen wir uns mal anschauen. Wir übernachten einmal in L.; es sind von Keetmanshoop ca. 340 km langweiligste, aber sehr gute Teerstraße. Eine willkommene Abwechslung bietet die einzige menschliche Siedlung, das Örtchen Aus, das wir nach 200 km erreichen. Das dortige Bahnhofshotel (existiert auch seit deutsche-Kolonie-Zeiten) ist renoviert und wirklich sehr schön hergerichtet. Wir können mal wieder dem Schild „cake + coffee“ nicht wiederstehen und genießen quasi als Mittagessen jeder ein Stück selbstgebackenen sehr leckeren Cheesecake.
Das Bahnhof-Hotel in Aus
Lüderitz ist ein seltsames Örtchen: auf einer Kaff-Skala von 0 bis 10 definitiv eine 10; andererseits scheint es aber doch eine gewisse Wirtschaftskraft zu geben. Es gibt Büros div. Staatlicher Stellen und div. Organisationen (Marine Research u.ä.) und ein kleines Hafenterminal von Maersk, außerdem überraschend viele Guesthäuser und B+Bs sowie diverse Restaurants.
So ziemlich jedes einstmals von den deutschen Kolonialisten errichtete Gebäude scheint noch zu stehen (wenngleich in sehr unterschiedlichen Stadien der Erhaltung bzw. des Verfalls); ein paar wenige neue Gebäude kamen auch dazu. Es gibt Ecken, wo man die Tristesse des Ortes fast mit Händen greifen kann. Das Licht ist durch die trockene Luft super, daher werden es dann doch ein paar mehr Fotos.

Lüderitz
Lüderitz, Bahnhof (nicht in Betrieb)
Lüderitz, ehem. Bibliothek; daneben die Turnhalle
Lüderitz, am Bahnhof
Lüderitz, Hafenterminal
ein Bild für Freunde der Geologie ...
Lüderitz, Leuchtturm
Lüderitz, aus der Sicht des Ankommenden
Lüderitz
einen Friedhof gibts auch ... außerhalb
Lüderitz
Lüderitz, nochmal Bahnhof, diesmal von vorn
Lüderitz
Lüderitz, viel Sand überall ...
ob der geleert wird? Ich tippe auf Nein ...
Lüderitz, Woermann-Haus (Kaufmann aus HH, war sehr aktiv in SWA)
Lüderitz
Am nächsten Morgen fahren wir nach Kolmanskop, 10 km Richtung Osten (also schon auf unserem Rückweg). Wir haben eine Führung gebucht (anders geht es nicht), selbstverständlich deutschsprachig. Ungefähr eine Stunde lang werden wir herumgeführt und bekommen viel erzählt und erklärt, danach dürfen wir noch auf eigene Faust durch die Ruinen ziehen.
Kolmanskop
Kolmanskop, Stationsschild
Der Ort wurde nach spektakulären Diamantenfunden (sie lagen anfangs einfach so im Sand rum …) zwischen 1908 und 1910 aufgebaut; die letzten Bewohner verließen ihn erst Anfang der 1950er Jahre. Die Diamantvorkommen um K. waren damals erschöpft und man zog weiter südlich, nach Oranjemund,  (direkt an der Grenze zu Südafrika) um die dortigen Vorkommen abzubauen. [Es handelt sich um Tagebau-Minen.] Zu Hochzeiten lebten in Kolmanskop ca. 300 Erwachsene plus um die 50 Kinder. Dazu gab es in der Umgebung ca. ein Dutzend weitere Kleinst-Minenorte (mit jeweils nur einem oder ganz wenigen Häusern). K. war quasi das Zentrum, mit Arzt, Krankenhaus, Grundschule, Kneipe, Kegelbahn, Geschäften, einer Eisfabrik (Stangeneis für die „Kühlschränke“) etc. Man muss diese abgelegene, trockene, sandige, staubige Gegend gesehen haben, um die (man wähle - ) Opferbereitschaft, Geldgier, Verzweiflung …. der damaligen Kolonie-Siedler ansatzweise zu verstehen. Es ist eine unfassbar herausfordernde Umgebung: das Einzige, was es im Überfluss gibt, ist Sand. Alles andere – Wasser, Pflanzenwuchs,  Infrastruktur, „Zivilisation“ gab es gar nicht (und gibt es auch heute gar nicht oder nur in Ansätzen). Es ist entweder sonnig und warm bis heiß oder neblig und feucht. Es regnet praktisch nie.
Alle diese Mini-Örtchen waren mit einer Bahn miteinander verbunden.
Kolmanskop, das Bähnle
es gab auch Sitzplätze ...
Die Bahn wurde per Hand, ohne schweres Gerät, innerhalb von 10 Monaten gebaut und führte von Lüderitz (damals noch Lüderitzbucht) über Kolmanskop bis nach Aus, gute 100 km sind das. Es gab eine eigene „Truppe“, die nur dafür zuständig war, die Schienen sandfrei zu halten – das war eine echte Sisyphusarbeit. Natürlich hat man lokale Arbeiter engagiert, die wurden auch bezahlt; trotzdem waren deren Lebensbedingungen ganz sicher nicht besonders schön. Dieses Bähnle (siehe Foto oben) wurde anfangs von Maultieren gezogen, später von einer kleinen Elektrolok. Es fuhr täglich und brachte die Hausfrauen (wenn ich alles richtig verstanden habe, dann waren die anwesenden weißen Frauen „nur“ das: Hausfrauen) nach K. zum Einkaufen, die Kinder zur Schule etc. und später wieder nach Hause.

Ich wusste vor der Führung praktisch gar nichts über diesen Teil deutscher Kolonialgeschichte und es hat mich tief beeindruckt. M.E. trifft hier der Begriff Geisterstadt wirklich zu: es hat was Unheimliches, durch die verlassenen aber teils recht gut erhaltenen Häuser zu gehen; man spürt etwas großspurig gesagt buchstäblich den vielzitierten Atem der Geschichte.
Ist es so, das Deutsche häufig mit einem Organisationsgen geboren werden?  Alles, wirklich alles, was man für den Bau der Häuser, der Werkstätten, der Mine, der Geschäfte (zB die Wurstmaschinen, die Kessel, die Fleischwölfe für die Metzgerei …) wurde per Schiff von D herbeigeschafft. Was wiederum heißt, man musste es vorher bestellen etc. Das bitte nun vorstellen: ohne Telefon! Ohne Internet! Kein Fax! …. Vermutlich also nur Briefe, aber auch ein Postwesen gab es ja damals in SWA noch nicht so wirklich; die Briefe wurden den Schiffen mitgegeben … Bei mir streikt da die Vorstellungskraft!
Kolmanskop, Eingang zum ehem. Arzt-Wohnhaus
Kolmanskop
Kolmanskop
Kolmanskop, Tierspuren im verwehten Sand
Kolmanskop, spärliche Vegetation
Kolmanskop, spärliche Vegetation
Kolmanskop, spärliche Vegetation
Kolmanskop, am "Kasino", Fundstücke (hier beginnen heute die Touri-Führungen und es gibt ein Café)
Kolmanskop
Kolmanskop
Kolmanskop
Kolmanskop, Kegelbahn im "Kasino"
Kolmanskop, Kegelbahn mit Original-Wandanstrich + Eisschrank
Kolmanskop
Kolmanskop, alte Ladeneinrichtung
Aus den kleinen privaten Minen wurde später unter Oppenheimer die Consolidated Diamond Mines of SWA, die kleinen Minenbesitzer wurden Aktionäre dieser Gesellschaft und heute ist es eine Nachfolgegesellschaft der Consolidated …, die aktuell den Abbau betreibt. Die ganze Gegend ist übrigens seit weit über 100 Jahren Sperrgebiet (nur Anwohner kommen rein) und wird dies wohl noch eine Weile bleiben.

Mittags fahren wir dann wieder zurück nach Keetmanshoop, und sind abends ob der Hitze (38 Grad…) und des vielen Sandes ganz erschossen. Diagnose: wir haben einen Hitze- und Sandkoller sowie eine Eier-mit-Speck-zum-Frühstück Allergie. Wir beschließen deshalb, am nächsten Morgen die 500 km nach Namibias Hauptstadt Windhoek unter die Räder zu nehmen, dort einen Ruhetag einzulegen und dann für einige Tage nochmals an die kühlere Westküste, nach Swakopmund zu fliehen. Urlaub vom Urlaub sozusagen. In Swakop (wie die Leute hier sagen) bleibt die Höchsttemperatur unter 30 Grad, die Nächte sind regelrecht frisch mit 15 / 16 Grad und es gibt die vage Hoffnung, dass wir dort Sauerteigbrot zu kaufen kriegen.

Ihr merkt es schon: wir haben auch einen Brotkoller (was zu erwarten war). In NAM ist es besser als in SA; hier gibt es schon mal Schrippen, die man kauen muss. In SA gab es nur „Wattebrot“, das auch durchs Toasten nicht viel besser wird. Und nach 21/2 Monaten träumen wir von einer Scheibe Graubrot mit Butter und gutem Käse und dazu ein Apfel.

Und hier noch zwei typische Landschaftsfotos aus der Wüste:
Koppie oder Kopje, ein typisches Landschaftsbild. Mitten in der Ebene liegen unvermittelt größere "Steinhaufen" rum. Geologen verstehen es ....
nein, kein Telegrafenmast mit Hut. Die "Hüte" sind Webervogel-Nistkolonien; ein ganz typisches Bild hier in der Gegend.