Mittwoch, 2. Januar 2019

Über die Feiertage in Fish Hoek (Kapstadt)


Kurz vor Weihnachten kommen wir in unserem „Feiertagsquartier“ in Fish Hoek an, wo wir 14 Tage verbringen werden. Ein AirBnB-Ferienhaus, gebucht schon im April 2018. Schon zu diesem Zeitpunkt war es schwierig, noch etwas Schönes und Normalpreisiges zu finden.
Das ließ mich schon ahnen, wie es hier sein wird: voll!!! Es sind die Hauptfeiertage, plus Hochsommer, plus große Ferien (Schulen, Unis, alle….) und jeder der sich bewegen kann, will irgendwie raus, möglichst ans Wasser. Die Idee der Vorausbuchung erweist sich jetzt als sowas von goldrichtig…. Das Ferienhaus ist sehr nett, zum Strand und zum Einkaufen sind es nur max. 500 m und man kann sich hier auch einfach zurückziehen, wenn man genug vom Trubel hat. Also ideal zum „Runterkommen“. Außerdem gibt hier eine nette Katze, sie gehört zum Vermieter.
Richtig schön ist die gute Stimmung hier überall, uns fällt dies sehr auf. Das Land hat ja ganz klar seine Probleme (und zwar deutlich mehr und ernstere als wir in D!), aber die Leute sind extrem gut drauf – praktisch niemals und nirgendwo bemerken wir Aggression oder Unfreundlichkeit. Im dicksten Stau (wovon es gerade reichlich gibt) hupt niemand, drängelt niemand; im Gewühl sind die Leute immer noch gelassen freundlich; wenn man im Restaurant aufs Essen fast eine Stunde wartet, beschweren sich höchstens Ausländer usw. usf. Der Umgang miteinander ist ausgesprochen höflich und fast immer sehr rücksichtsvoll. Es ist bemerkenswert und trägt sehr zu unserer Entspannung bei! Auch fällt uns auf, dass sich viele Menschen quasi lautlos engagieren (USA-Reisende kennen das, dort kann man dies auch feststellen): wir sehen z.B. täglich Menschen, die freiwillig irgendwo Müll aufsammeln, z.B. am Strand. Das sind auch Urlauber, denken wir, die machen ihren Strandspaziergang, nehmen dabei einen Müllbeutel mit und sammeln ein, was andere liegengelassen hatten oder was vom Meer angeschwemmt wurde. Ohne jegliches Aufheben, ganz selbstverständlich.
  



Wir machen von Fish Hoek aus fast jeden Tag einen Ausflug: nach Kapstadt mit dem Vorortzug – (den kannte ich noch von meiner ersten Reise 1996) - ein sowas von olles Gefährt, transportiert aber immerhin die Menschen von den Vororten in die Stadt. Die Fahrt dauert ca. 1 Stunde, da gefühlt jeden Kilometer eine Haltestelle kommt und er sowieso im Schneckentempo fährt. Einen Fahrplan gibt es, er ist aber praktisch kaum anwendbar. Ungefähr alle 30 bis 40 Minuten fährt ein Zug, und der kommt auch irgendwann an. Kapstadts Hauptbahnhof ist wuselig, da halt‘ ich meine Tasche erstmal ganz fest. Wir laufen in die Innenstadt, die hier (in S.A.) „CBD“ für Central Business District heißt. Auch hier sehr wuselig, und uns steht natürlich „Tourist“ auf die Stirn geschrieben – entsprechend sind die Ansprachen. Nach einem kurzen Wiedersehen mit Company’s Garden und einer stärkenden Tasse (Eis)-Kaffee erreichen wir zu Fuß (und ich kurz vorm Hitzschlag) die Victoria & Alfred-Waterfront. Klimatisiert! Schatten! Ahhhh….. Wir schauen uns dort um, seit unserem letzten Besuch 2006 ist das Gelände mindestens ums Dreifache gewachsen (so eine Art Hamburger Hafencity à la Kapstadt, aber mit mehr Shopping und mehr Hotels und mehr Grün). Nach einem Lunch in einem der eher hochpreisigen Lokale nehmen wir der Hitze wegen ein Taxi und fahren zurück zum Bahnhof und mit dem jetzt sehr gut gefüllten Klapperzug wieder zurück in „unser“ Fish Hoek.

Wir besuchen natürlich auch das Kap der Guten Hoffnung, fahren sehr früh (6.30) los (hier immer eine gute Idee!), es ist ein superklarer, schöner Tag, keine Wolken. Wir kommen als einer der ersten dort an und können in Ruhe und ungestört zwei kleinere Trails laufen und Fotos machen. Die Massen sind uns aber direkt auf dem Fuß, und zum obligatorischen Foto mit dem „Cape of Good Hope“-Schild müssen wir schon kurz anstehen. Aber vorher waren wir oben auf dem Kap, ein steiler Felsen, und das war toll. Irre stürmisch, Windstärke 9 bis 10 garantiert, aber wirklich eindrucksvoll.
Ein weiterer Morgen und Vormittag ist den Pinguinen in Simon’s Town (Nachbarort von Fish Hoek) gewidmet, auch die sind Klasse. Der Haupt-Strand-Bereich in dem sie leben ist als Nationalpark ausgewiesen, d.h. man zahlt Eintritt und die Tierchen werden vor den Besuchern geschützt. Man läuft auf Holzstegen über den Strand und die Brutkolonien, sieht die Tiere wirklich aus nächster Nähe und kann super fotografieren. Es leben auch Pinguine außerhalb dieser geschützten Zone (die Tiere sind frei, sie können sich bewegen wie sie wollen) und so gibt es einen kleinen Strand, wo man quasi mit ihnen schwimmen kann. Was auch viele Leute wollen, wir aber nicht. Es scheint so zu sein, dass die Pinguine nur einen sehr kleinen persönlichen Raum benötigen zum Wohlfühlen (nach unseren Beobachtungen sind das so ca 10 cm um das Tier herum), das könnte erklären, warum sie die Nähe der Menschen so unkompliziert tolerieren.
Ebenfalls nett ist es, nach Kalk Bay zu laufen. Dies sind von uns aus nur gut 2 km, teilweise am Strand lang. Kalk Bay hat noch einen echten Fischereihafen und man könnte früh im Hafen tatsächlich frisch gefangenen Fisch kaufen. Es ist sehr bunt und sehr quirlig, alles entlang der engen Hauptstraße, durch die sich auch der Durchgangsverkehr wälzt. Es gibt Dutzende von Cafés und café-ähnlichen Lokalen, so das es trotz der vielen Menschen nie ein Problem ist, irgendwo ein nettes Pausenplätzchen zu finden. Und es gibt eine echte Eisdiele! Es ist mir unbegreiflich, wieso es in einem so warmen Land (das zudem über die ausreichende Infrastruktur verfügt) derart schwierig ist, mal eine Kugel Eis zu bekommen. Eigentlich geht das nur in Shopping Malls. Das Eis ist recht teuer, um die 2 Euro für eine große Kugel. Schmeckt aber! Eine Besonderheit hier an der Küste sind die Tidal Pools, Gezeitenschwimmbecken. Da ist auch bei Ebbe immer Wasser drin, und es da drin keine Wellen, was gut ist z.B. für Kinder.
Wir verbringen einen guten halben Tag in Kirstenbosch, dem berühmten Kapstädter botanischen Garten. Dies ist ebenfalls ein Highlight, vor allem fürs Auge. Die Lage ist einmalig, am Fuß und an den Hängen des Tafelberges, ein wirklich wunderschöner, riesiger, grüner, gepflegter Park. Auch hier viele Menschen, die sich aber in dem gigantischen Gelände verlieren; die weiter oben erwähnte gute, entspannte Stimmung ist auch hier fast mit den Händen zu greifen.
Wir entdecken spektakuläre Küsten rund um Kapstadt. Einige Hotspots müssen wir uns zwangsläufig wegen Überlaufenheit verkneifen (Constantia und andere Weingüter zB).
Einen sehr starken Eindruck hinterlässt der Besuch in einem Township bei uns. Wir fahren häufig an Townships vorbei, sehen dann vom Auto aus die kleinen, windschiefen Wellblech- und Bretterbuden. Und fragen uns: wie kann man da leben? Wer lebt da? Wie schaffen es die Leute, sich in diesen Hütten sauber zu halten und ordentlich angezogen zu sein (das sind sie nämlich i.d.R.!)?
Nachdem nun in jedem Reiseführer steht, dass eine geführte Township-Tour möglich ist und auch empfohlen wird, google ich ein bißchen rum und buche uns dann telefonisch eine Tour [wir haben ja nur unsere deutschen Handys, telefonieren geht aber gut über ein Skype-Guthaben-Konto; es kostet ganz wenig und funktioniert tadellos].
Wir bekommen einen Treffpunkt genannt und finden uns dort am nächsten Morgen dort, im Township Langa, ein. Dies ist das älteste und kleinste Township Kapstadts. Ca. 60.000 Menschen leben dort. Xhasi, eine junge Xhosa-Frau, wurde dort geboren und führt uns beide für ca. 2 Stunden zu Fuß herum. Sie erzählt und erklärt vieles und beantwortet ganz viele Fragen von uns. Wir erfahren, wie die Townships entstanden sind und dass – siehe da! - nicht alle Menschen, die dort leben, bitterarm sind.
Die ärmsten Menschen, die die Mehrheit darstellen, leben in sog. „Hostels“ (eine Art sehr einfache Wohnheime, ursprünglich für die Männer gedacht, 3 teilen sich einen Schlafraum) oder in Containern (pro Familie ein halber Container, das sind ca 4m²) oder in selbstgebauten einfachen Hütten aus Wellblech, Holzresten u.ä. Wir dürfen in all dies auch reinschauen, auch fotografieren wäre möglich. Wir verzichten darauf, weil wir es als unwürdig empfinden. – Richtig schlimm sind u.E. weniger der äußerst beengte persönliche Raum der Ärmsten, sondern die in dem Bereich sehr schlechten sanitären Verhältnisse (keine privaten Toiletten, kaum Wasserstellen), die fehlende bzw. nur in „selbstgebastelt“ (und entsprechend Kurzschluß- und feueranfällige) vorhandene Stromversorgung und der Müll, der herumliegt. Ratten sehen wir nicht, aber es ist kaum vorstellbar, dass es keine gibt. Xhasi erzählt, dass Drogen und Alkohol ein ernsthaftes Problem seien.
Die etwas Bessergestellten, die „Mittelklasse“, wohnen in kleinen Mietshäusern, in der jede Wohnung ihren separaten Eingang hat. Recht einfach, aber „normal“; es gibt Strom, Wasser, Badezimmer und halbwegs ausreichend Platz. Es ist auch sehr viel sauberer in diesen Straßen. Und dann gibt es noch einen Bereich mit Einfamilienhäusern, die genauso auch in D stehen könnten.  An den beiden letztgenannten Wohnformen ist höchstens überraschend, dass wir sie nicht im Township vermutet hätten.
Man darf sich ein Township nicht als rechts- und/oder zivilisationsfreien Raum vorstellen: es gibt dort eine Polizeistation; ebenso auch ein Krankenhaus und eine Art Poliklinik, eine Bibliothek, Schulen, Kirchen, Tankstellen, kleine Kramläden etc. Jeder kennt jeden. Langa wird hauptsächlich von Xhosa People bewohnt, welche ursprünglich vom Ostkap stammen. Auf unsere Frage, warum man dort wohnen bleibt, wenn man sich etwas „Besseres“ leisten könnte, antwortet Xhasi: „weil du hier alle kennst und weil es sehr billig ist“. Wir schlußfolgern: man kann demnach im Township auch mit einem kleinen, aber festen Einkommen schon „Mittelklasse“ sein.
Trotzdem, eine schöne Umgebung ist es nicht. Und wir denken (mal wieder): lieber Gott, was geht’s uns in D gut!!!
Silvester verbringen wir sehr ruhig, mit Spazierengehen, lesen, div. Kram erledigen. Hier ist überhaupt nichts los und so sind wir nach der obligatorischen Flasche Sekt sehr zeitig im Bett. Am Neujahrstag spazieren wir mal wieder nach Kalk Bay zur Eisdiele und über den heute wirklich sehr vollen Strand zurück. Unser Vermieter hatte uns vorgewarnt: die allermeisten Menschen feiern nicht an Silvester sondern an Neujahr und dem Tag danach. „Tweede Nuwe Jaar“ („Zweiter des neuen Jahres“) ist der Straßen-Karneval, den die hier sehr zahlreich lebenden Kap-Malaien jährlich am 2. Januar veranstalten. Eine Riesenparty mit mehreren Hunderttausenden Menschen. Wir haben zuviel Respekt vor dem Gewimmel und fahren nicht hin. Morgen nochmal nach Kapstadt, ins "Two Oceans"-Aquarium; und Freitag früh (4.1.) gehts auf zu neuen Ufern.
Zum Schluß noch ein paar Fotos:


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